Seit Urzeiten erstreckte sich zwischen Vogtland und Elbsandsteingebirge ein Wüstes, von einem schier undurchdringbaren urwaldähnlichem Dunkelwald, dem Miriquidi bedecktes Gebirge, damals ,,Böhmisches Gebirge“ genannt, von den Menschen, selbst den eroberungssüchtigen Römern gemieden.

Auch während der großen Völkerwanderung blieb unser rauhes Gebirge von der Besiedlung verschont. Das östliche Tiefland und die Flusstäler waren in der Hauptsache von den Ackerbau und Viehzucht treibenden herandrängenden Wenden oder auch Sorben genannt,

besiedelt.

Bereits um 800 hatte Karl der Große die Wenden besiegt und unterworfen. Zur Beseitigung der ständigen Unruhen an der Ostgrenze des Deutschen Reiches begann Heinrich I. nach 900 einen Unterwerfungskrieg gegen sie und gründete 925 die Burg Meißen. Otto der Große

schließlich errichtete die Mark Meißen, zu deren Herrschaftsgebiet auch unser Gebirge gehörte.

Die ostwärts gerichtete Ausrichtung des Deutschen Reiches erweckte verständlicherweise den Hass der Unterworfenen oder bedrohten Ostvölker.

Zwei mächtige Herren, und zwar Boreslaw II. von Böhmen und sein

Vetter Boreslaw I. von Polen gedachten ihre Macht über die eigenen

Grenzen hinaus auszudehnen, und so geriet auch die Mark Meißen immer wieder unter diese oder jene Herrschaft.

Zur Abwehr des Polenkönigs versammelte schließlich Heinrich II. sein

Heer an der Elbe. Auf die durch die Wildnis geschlagenen Wege bewegte sich der Kriegszug in das Böhmerland, bis bei der Stadt Saaz der polnische Herrscher besiegt wurde.

Mit diesem Ereignis um das Jahr 1000 war die große Ruhe des Miriquidi, des Dunkelwaldes beendet. Die Zeit der Besiedlung unserer Heimat begann.

In seiner Chronik „Historischer Schauplatz des Meißnischen Obererzgebirges“ (1699) schreibt Pfarrer Christian Lehmann von „dicken‚ grausamen Wäldern“ und der Angst der Erstbesiedler ,,vor dem Miriquidi, dem schwarzen Wald, dem ungeheuren Waldgebirge, das voller Moore und Sümpfe war, darinnen nicht nur Lastwagen, sondern auch Mensch und

Tier versinken, hingegen die wilden Säue sich gebadet und Bären abgekühlt, die Hirsche und Wölfe sich gesuhlet.“

Der Miriquidi war aber auch das Schweifgebiet der im Altsiedelland lebenden sorbischen Bevölkerung. Seine Randgebiete wurden bereits wirtschaftlich genutzt, beispielsweise zur Jagd, zum Fischfang, zum Pechbrennen, zur Köhlerei und als Waldweide.

Obwohl der Miriquidi weitgehend von Menschen gemieden, führten doch

bereits vor der Kolonisierung Saumpfade - semitae bohemica - durch unser Gebiet. Zwei wichtige Handelswege streiften unsere engere Heimat:

-  im Norden der „KärrnerWeg“, der von Leipzig kommend über das

   heutige Zschopau‚ Reitzenhain‚ Sebastienberg und Komotau nach Prag führte.

-  im Süden die uralte „Salzstraße“, die von Halle kommend über das

    heutige Elterlein, Schlettau, Sehma und Jöhstadt über den „Preßnitz-Paß“ nach Kaaden ins   

    Egertal führte. Auf diesem Weg transportierten Fuhrleute das Wertvolle Salz von Halle

   nach Böhmen.

Den erwähnten "Preßnitz-Paß" erklärte bereits 1144 König Wenzel IV. von Böhmen mit einem Erlass zum offiziellen Übergang und verbot die Nutzung anderer Pässe.

Mit dem Bau und der zunehmenden Bedeutung der Burg Wolkenstein

entstand ein “Firstweg“‚ der den Kärrnerweg im Norden mit der Salzstraße im Süden Verband. Dieser "Firstweg" führte über das heutige Streckewalde westlich entlang von Mildenau und mündete bei Heilbronn in die Salzstraße. Auf diesem Weg transportierten im 16. Jahrhundert Fuhrwerke das bei Wiesa gefundene Eisenerz zu den Schmelzöfen von

Schmalzgrube oder im Böhmischen. So erhielt dieser Weg den Namen

„Eisenstraße“, heute noch in einer Mildenauer Straßenbenennung erhalten.

Der Besitz der Herren von Waldenburg erstreckte sich von der Burg Waldenburg an der Zwickauer Mulde bis hinauf in die Täler von Zschopau und Preßnitz. Anliegen der Waldenburger war, mit der Kolonisierung des bisher weitgehend unberührten "Böhmischen Gebirge" das eigene Herrschaftsgebiet zu vergrößern und auszudehnen.

Im deutschen Mittellland war die Bevölkerung weitgehend so angewachsen, dass sich ein Bevölkerungsüberschuss ergab. So waren z.B. in Mainfranken und Thüringen die Bodenzersplitterungen weit fortgeschritten.

Die Herrschaft der Waldenburger beauftragte Lokatoren (MA: Kolonial-

land verteilende Ritter), im Altsiedlungsgebiet siedlungswillige junge

Bauernfamilien anzuwerben und ihnen im Miriquidi Siedlungsland als

Lehen zuzuweisen. Es waren vor allem fränkische Bauernfamilien, die

dem Ruf der "Waldenburger folgten, um in der undurchdringbar scheinenden Waldlandschaft eine neue Heimat zu gründen.

So begann um etwa 1150 von Norden kommend die Besiedlung unseres

Sandbachtals. Auch der Chronist Erich Schiefer führt an, dass die Hauptbesiedlung unseres Gebietes um 1180 bis 1200 erfolgte. Jedem Siedler wurde vom Lokator ein Streifen Land - eine Hufe - zugemessen‚ die am Sandbach beginnend sich entweder nach Osten oder Westen ausbreitete.

 

Über Generationen musste in mühevollster Arbeit der Wald gerodet, der Boden entsteint und so dem Urwald Meter um Meter Ackerland abgerungen werden.        '

Im Jahr 1270 wurde Mildenau erstmals urkundlich erwähnt. Zu Laetare

des genannten Jahres schenkte Landgraf Albert u.a. die Dörfer Mildenau und Reichenau dem Kloster Buch bei Leisnig. 300 Jahre später, im Jahr 1569 vereinten sich die beiden Orte zum Dorf Mildenau.

Zisterziensermönche begleiteten die fest im christlichen Glauben verwurzelten Siedler ins neue Siedlungsgebiet. Etwa nahe dem heutigen Pfarrhaus errichteten die Mönche ihre Klause. Mit zunehmender Bevölkerung wurde immer wieder erweitert und angebaut‚ und so entstand die Wallfahrtskirche „St. Nikolaus“. Diese wurde immer wieder von den den Firstweg benutzenden Fuhrwerkern, von Kaufleuten oder Reisenden aufgesucht‚ bevor sie den nicht ganz ungefährlichen Reiseweg fortsetzten.

Aber auch Pilger suchten zunehmend die Wallfahrtskirche auf, sodass Pfarrer Lehmann in seiner Chronik den „Niklasweg“ erwähnt. Zur leiblichen Versorgung, zur Unterbringung aber auch als Ausspanne entstanden am Fuß der Wallfahrtskirche zwei uralte Wallfahrtsherbergen, ausgestattet mit verschiedenen Privilegien. Bekannt ist die 1945 zerstörte Barthschenke und der heutige Gasthof Mildenau. Sie entstanden aus den alten Wallfahrtsherbergen.

Als um 1500 nach den reichen Erzfunden das ,,Bergkgeschrey“ ertönte, machte die Suche nach Silber auch um Mildenau keinen Bogen. Aus den verschiedensten Regionen strömten Bergknappen in unser Dorf. So verschwand auch um 1550 die Bezeichnung ,,Böhmisches Gebirge“ und der Name „Erzgebirge“ bürgerte sich ein.

Wohl wurde rund 100 Jahre in Mildenau nach Silber oder anderen Erzen geschürft, aber die seit Siedlungsbeginn landwirtschaftliche Prägung unseres Ortes konnte auch der Bergbau nicht verändern. Nach wie vor dominierte die Landwirtschaft. Nach und nach entwickelte sich aber im Dorf das Handwerk, anfangs mit Schmieden und Wanern. Vor allem als Erfüllungsgehilfen der Landwirtschaft. Später wurden auch Berufe wie Schneider, Schuhmacher oder Fleischer in unserem Ort heimisch. So entstand ein zweites, bis heute wirkendes Wirtschaftsstandbein. Am 14. Februar 1749 unterschrieben 52

Ortshandwerker eine Petition an den Kurfürsten. Wohl wurde von diesem die vorgebrachte Bitte zur Bildung von Innungen abgelehnt, aber trotzdem prägte das Handwerk mit der Landwirtschaft weiterhin die kommunale Entwicklung.

Mit der 1838 erlassenen Sächsischen Kommunalordnung - der Landgemeindeordnung vom 7. November 1838 - endete die Jahrhunderte währende Herrschaft der Erblehnrichter als Erfüllungsgehilfen der Grundherren. Von den Bürgern war ein Gemeinderat zu wählen, der an die Spitze der politischen Kommune gestellt wurde. Der Gemeinderat wiederum wählte den Gemeindevorstand. Am 18. April 1839 begann der Gutsbesitzer Christian Gotthold Langer als erster Mildenauer Gemeindevorstand seine Tätigkeit.

Mit Inkrafttreten der Landgemeindeordnung wurden die Bauern Eigentümer des bisher ihnen als Lehen überlassenen Grund und Bodens. Doch diese Freiheit und Gleichstellung hatte ihren Preis. Innerhalb von 55 Jahren musste die vom Landesherren geforderte Entschädigung gezahlt sein.

Als Ausgang des 19. Jahrhunderts die Industrialisierung auch die Dörfer erreichte, widerstand die Macht von Landwirtschaft und Handwerk einer solchen Entwicklung in Mildenau.

1937 waren in Mildenau 110 landwirtschaftliche Betriebe registriert. Damit gehörte unser Ort mit zu den größten Bauerndörfern Sachsens.

 

Vor allem nach der politischen Wende hielt die Industrie auch in Mildenau Einzug. Nach wie vor aber sind Landwirtschaft und Handwerk im Ort eine wesentliche und wichtige Wirtschaftskraft. Aber gerade die Synthese von Industrie, Landwirtschaft und Handwerk macht Mildenau zu einem modernen Dorf. 

 

Hans Meyer 2018